Wissenschaft, Wochenende, (Weihnachts-)ferien: Eine komplizierte Beziehung

Für Wissenschaftler:innen, Forschende und Lehrende ist das Konzept von Arbeitszeit ähnlich komplex wie das Verständnis vom eigenen Forschungsfeld – dafür aber gern noch mit Schuldgefühlen gespickt. Theoretisch könnte immer gearbeitet werden, es gibt immer etwas zu tun, und sei es nur, einen weiteren Artikel zu schreiben, den man für die wachsende Publikationsliste ja braucht. Gleichzeitig bietet dieses Tätigkeitsfeld aber auch eine beispiellose Flexibilität. Nur wenige Aufgaben müssen zu fester Zeit und Stelle verrichtet werden, Seminarzeiten können beeinflusst werden und vieles kann online besprochen und erledigt werden. 

 

Auf der einen Seite bietet die Wissenschaft also große Möglichkeiten zur zeitlichen Gestaltung, auf der anderen Seite genauso viele, diese Zeitblöcke auch zu füllen, und das jeden Tag. Gerade, wenn unter der Woche etwas liegen geblieben ist, Seminararbeiten korrigiert werden müssen oder ein wichtiger Antrag ansteht, wird oft  auch das Wochenende genutzt. Schließlich gibt es ja leider wenige Role Models unter den Professor:innen, die am Wochenende die Beine hochlegen und darüber auch noch reden. 

 

Doch genau hier liegt die Krux: Wann hört die Woche auf, und wann beginnt das Wochenende? In der Wissenschaft verschwimmen diese Grenzen oft. Für viele Promovierende und Postdocs ist das Wochenende kein fest definierter Ruheraum, sondern eine Art „Pufferzone“, in der Rückstände der Woche aufgearbeitet werden. Besonders in der frühen Karrierephase, wenn der Druck hoch ist, Publikationen vorzuweisen und Drittmittel einzuwerben, scheint es fast selbstverständlich, die Zeit am Wochenende für produktive Arbeit zu nutzen, um sich selbst und die Karriere voranzubringen. 

 

Die Problematik verschärft sich noch einmal, wenn es allgemein die Zeit der Weihnachtsferien und Feiertage gekommen ist: Endlich hat man hier mal etwas Luft, keine Seminare oder Sprechstunden; genug Zeit für die Familie, um Plätzchen zu backen und die niemals endende Aufgabenliste anzugehen. Gerade in den Ferien, und vor allem an Weihnachten, wenn die Welt um einen herum langsamer wird, kommen schnell die Gedanken, dass man hier so richtig was schaffen kann. Und tatsächlich, warum nicht die Stunden nach dem Festtagsessen am Schreibtisch nutzen, während die Verwandtschaft einen Weihnachtsfilm schaut oder in der Zeit um den Beginn des neuen Jahres entspannter  zu arbeiten?

 

Die unklare Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit wird jedoch auf Dauer belastend . Wenn man ständig den Eindruck hat, „noch mehr tun zu müssen“, entsteht schnell das Gefühl von Überforderung. Aber auch das Gegenteil kann passieren: Wer das Wochenende gänzlich abschaltet und es als rein private Zeit einplant, kann sich von einem Berg unerledigter Aufgaben in der darauffolgenden Woche überwältigt fühlen. Hier beginnt die komplizierte Beziehung zwischen Wissenschaft und Wochenende – ein Balanceakt, der immer wieder neu ausgehandelt werden muss Bei dieser Aushandlung müssen wir uns aber auch eingestehen, dass es ganz ohne Pausen nicht geht, denn das wissenschaftliche System trägt schon so genug Stressfaktoren (nicht nur #IchBinHanna lässt grüßen) in sich. 

Es stellt sich also immer wieder die Frage: Wieviel Wochenende, wieviel Ferien darf  und sollte man sich als Promovierende oder Postdoc gönnen? Was für die eine Person gut funktioniert, kann für die andere völlig unpassend sein. Es hängt von den eigenen Arbeitsgewohnheiten, dem Projektfortschritt und den persönlichen Zielen ab. Aber auch von der individuellen Lebenssituation: Wer Familie hat, muss und will das Wochenende anders gestalten als in der Zeit vor den Kindern. 

 

Der Schlüssel liegt darin, sich klar zu machen, wann und warum man am Wochenende arbeitet – oder eben nicht. Es gibt keinen „richtigen“ Weg. Ob du dich entscheidest, am Wochenende zu arbeiten oder nicht, beides ist in Ordnung, solange es bewusst geschieht und zu deiner individuellen Situation passt. Es gibt keinen Grund, sich schlecht zu fühlen, wenn du das Wochenende produktiv nutzt – ebenso wenig wie es falsch ist, das Wochenende zur Erholung zu nutzen. Am Ende geht es darum, eine gesunde Beziehung zu deiner Arbeit und deinen Auszeiten  zu entwickeln – eine, die langfristig deine Produktivität, Kreativität und vor allem dein Wohlbefinden fördert. Und um unser Wohlbefinden zu fördern, brauchen wir Pausen, daran führt kein Weg vorbei. Wir müssen uns Auszeiten schaffen, nicht nur um produktiv und kreativ zu arbeiten, sondern auch um nicht durch chronischen Stress körperlich und/oder psychisch zu erkranken. Denn nur wer sich gut fühlt, kann auch nachhaltig gute Arbeit leisten, denn, wie sagte schon Elizabeth Barrett Browning: “Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause.” Deswegen kam von uns, dem Kompetenzzentrum Schreiben, auch der Hashtag #TeamPause. Bist du dabei?

 

Von Elisa von Minnigerode und (deutlich weniger) Nina Fischer

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